Verwirrspiel um die Leistungsfähigkeit

Das Stuttgarter Verkehrsministerium lässt auf seiner Website und in einem ausführlichen Schreiben an interessierte Adressaten wissen, dass "hinsichtlich der theoretisch bewältigbaren Zugzahlen" kein Rückbau bei dem geplanten S21-Bahnhof festzustellen ist. Dabei werden "vertaktete Züge", "Verstärkerzüge" und "Verdichterzüge" genannt, aber belegt nicht jeder Zug einen Bahnsteig und muss ein- und ausfahren? Die Rede ist auch von "Lastrichtung" und völlig anderem Ergebnis bei der landeseigenen Nahverkehrgesellschaft. Insgesamt wirken die Darstellungen seltsam bemüht und unbefriedigend. Dabei steht doch fest: Im Unterschied zur großen und im täglichen Betrieb nachgewiesenen Leistung des Kopfbahnhofs steht die "theoretische" des Halbtiefbahnhofs S21 auf tönernen Füßen.


Der ausgewiesene Bahnkenner und gelernte Eisenbahner (!)
Prof. Dr. Rohrhirsch hat seine Sicht der Dinge spontan niedergeschrieben:

"Ich habe selbst die 38 Züge zwischen 07-08 Uhr ausgezählt, die ich auf S. 84 (3. Aufl.) meines Büchleins anführe. (1968-1969 wurden zwischen 07-08 Uhr, 56 Züge gezählt, S. 94). Und das waren andere Zeiten, mit sehr viel weniger Technik, weniger Wendezugeinheiten etc.
 
Ob da „S-Bahnen“ dabei waren oder nicht, ist für mich nicht so entscheidend. Der Kopfbahnhof konnte das bewältigen (56 x Ein- und Ausfahrt). Dass mit den Zulaufstrecken die Kapazität begrenzt wird, das ist klar, aber der Bahnhof konnte eben tatsächlich diese Zahl an Zügen aufnehmen. Und die Frage ist, können optimierte Zulaufstrecken mit einem kleinen Bahnhof (8 Gleise, Ulm hat schon mehr)  mehr? Meine Antwort: Nein, wenn vergleichbare Haltezeiten, Komfort, etc. berücksichtigt werden. Was aber könnte ein Kopfbahnhof mit optimierten Zulaufstrecken?

Die 32 Züge von Engelhardt (bzw. Heimerl-Anhang des Bauvorhabens) gehen doch in dieselbe Richtung. Auch der Verweis auf den Bahnhof Wien (neugebaut mit 8 Gleisen, ausgelegt für 32 Züge) löst sich doch nicht in Luft auf, gleichgültig, ob ich terminologisch von Verstärkerzügen, Taktzügen, etc. spreche.
 
Engelhardts Untersuchung mit den Zugleistungen verschiedener Bahnhöfe in Deutschland ist für mich nachvollziehbar. Man kann viel reden, aber die Fahrpläne sprechen eben dann doch ihre eigene Sprache. Und wenn es durchschnittlich 4 Züge pro Stunde sind, die in hochfrequentierten und auch verspätungsanfälligen Bahnhöfen (Köln, Hamburg) fahren, dann gibt mir das eben zu denken, wenn nunmehr in Stuttgart 6 Züge pro Stunde und Gleis fahren sollen, damit die behauptete Leistungssteigerung in Reichweite kommen kann.
 
Und das alles wird ja noch unüberbietbar getoppt durch die schlichtweg wahnsinnig zu nennende Gleisneigung des geplanten Bahnhofes. Hier hört dann jeglicher Vergleich auf – denn das Obige, würde ja nur für normale (gleisgeneigte) Bahnhöfe gelten. Und wenn das selbst bei diesen schon nicht geht, wie soll das dann funktionieren mit einem derart geneigten Bahnhof?
 
Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.“
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Ich finde, dieses Statement sollte dem Verkehrsministerium zur Kenntnis gelangen und sende diesen Blogeintrag deshalb dorthin. Hat das Ministerium vor seinen Verlautbarungen zur Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 auch kritische Fachleute wie Rohrhirsch, Bodack, Behnsen, Engelhardt, SMA und Vieregg eingeladen? Und: hat die Bahn nicht zugegeben, 1200 Millionen Euro an Fehlplanungen gemacht zu haben = Kostensteigerung? Was heißt das für die Kompetenz und Seriosität der Bahn? Kann man dieser fragwürdigen Gesellschaft die Zukunft des Bahnverkehrs in Land und Stadt anvertrauen?