S21 in der Fußballfalle

Aus Kontext:Wochenzeitung von heute:
„Der Tiefbahnhof im Bundestag, es geht um milliardenschwere Kostenexplosionen und gefährliche Sicherheitsmängel. Ein drängendes Thema, ein schlechter Zeitpunkt: Denn um 21 Uhr liefen Jogis Jungs zum Halbfinale auf. Im Schatten eines Länderspiels wurde schon so manche Abstimmung zügig durchgewinkt. Für S 21 blieben 25 Minuten.
Die Debattierlust vieler Bundestagsabgeordneten hielt sich schon im Vorfeld in Grenzen. "Stuttgart-21-Debatte am Donnerstagabend!? Da hatte ich eigentlich etwas anderes vor", twitterte Steffen Bilger am 5. Juli. Damit meinte der CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Ludwigsburg zweifellos das EM-Halbfinale Deutschland gegen Frankreich. Der Kick war am selben Abend in Marseille terminiert. Bilgers Tweet verrät, auf was der 37-jährige Politiker, der seit 2009 für die CDU im Bundestag und in dessen Verkehrsausschuss sitzt, mehr Bock hatte: lieber beim Länderspiel mitfiebern als mit Linken und Grünen mal wieder darüber zu streiten, welchen Sinn die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs überhaupt hat.
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Der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger sparte sich seinen Redeauftritt gar, wohl um nicht zu spät vorm Fernseher zu sitzen. Er gab, ebenso wie sein Parteikollege Alexander Funk, seinen Debattenbeitrag zu Protokoll. Wer sich die Mühe macht, Bilgers Rede im elektronischen Archiv des Bundestags herauszufischen, erfährt Aufschlussreiches.
Zuletzt bemüht Bilger in seiner Rede ein Uralt-Argument der S-21-Befürworter, das längst widerlegt ist: Durch den Tiefbahnhof würden 109 Hektar nicht mehr benötigte Gleisflächen mitten in der Innenstadt frei, auf denen 11 000 Menschen Wohnraum finden und 24 000 Arbeitsplätze entstehen würden.* Tatsächlich sind es nur rund 20 Hektar, die durch Stuttgart 21 zusätzlich verfügbar werden. Alle anderen Flächen wie das Europaviertel sind bereits frei und neu bebaut oder könnten auch bei Erhalt des Kopfbahnhofs freigemacht werden.“
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*Bilgers Zahlen stehen schon in der Rahmenvereinbarung von 1995: “mindestens 11000 Einwohner und mindestens 24000Arbeitsplätze“, ist also 21 Jahre her! (Quelle SZ „…der unheilbare Mangel“). Der Verkehrsexperte aus Ludwigsburg Bilger hat sich offensichtlich auf alte Werbesprüche verlassen oder setzt auf dreiste Behauptungen wie bei den Projektsprechern gewohnt, zuletzt Brunnhuber: „Wir werden 2021 fertig – und wir werden im Kostenrahmen bleiben.“ (Schwäbische Post)