Wie Kopfbahnhof-Befürworter (Stuttgart-21-Gegner) ticken

„Kuhniana“, 10 Blogs zwischen 10.-25. Januar 2017
mit einer kritischen Analyse
der Verlautbarungen des OB Kuhn
in einem
Artikel in den Stuttgarter Nachrichten


Kuhniana (1) 10 01. 17 18:25 Die oft Stuttgart 21 beschönigende und selektiv berichtende Stuttgarter Zeitung und - Nachrichten hat wieder einen typischen Beitrag zur Rechtfertigung von Stuttgart 21 gegeben. OB Kuhns Verlautbarungen sollen in einer Serie „Kuhniana“ kommentiert und korrigiert werden aus meiner Sicht als S21-Kritiker.

StN vom 09. Januar 2017: „Die Rede von Oberbürgermeister Kuhn bei der ersten Durchschlagsfeier für einen Stuttgart-21-Tunnel hat die Kritiker des Bahnprojektes überrascht. Der grüne Rathauschef will, dass das Vorhaben rasch fertig wird und seine städtebaulichen Vorteile entfalten kann.“
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Das hätte OB Kuhn aber sagen müssen ZDF, dass er mit „Stuttgart 21 tut der Stadt gut“ die städtebaulichen Vorteile meint. So waren die Kritiker nicht nur „überrascht“, sondern empört angesichts des stadtzerstörerischen und die Bürgerschaft und Verkehrsteilnehmer, insbesondere in U- und S-Bahn, aber auch in Regional und Fernbahnen, belästigenden Projekts über vielleicht 15 Jahre und länger hinweg. Die städtebaulichen Nachteile wie Parkverlust im zentralen Schlossgarten mit Unterbrechung des „grünen U“, Abriss des Kulturdenkmals Bonatz-Bahnhof (Verlust der Schutzwürdigkeit), Verschlechterung des Stadtklimas durch Fehlen ausgleichender Gleisflächen u.a. werden von OB Kuhn nicht genannt.


Kuhniana (2) 15 01. 17 23:56

StN vom 09. Januar 2017: Stuttgart - Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat die Bahn zu einer pünktlichen Fertigstellung des umstrittenen Bauprojektes Stuttgart 21 aufgefordert. „Denn das Vorhaben wird der Stadt erst dann gut tun, wenn es fertig ist“, sagte Kuhn der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Nach der Tieferlegung des Bahnhofs, deren Abschluss 2021 geplant ist, könne die wegen ihrer Kessellage an der Expansion gehinderte Stadt eine Fläche von zusätzlichen 85 Hektar nutzen.

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Hier ist sie wieder, die Werbelüge mit den 100 Hektar, scheinbar reduziert auf 85 Hektar (das schon bebaute „Europaviertel“ mit etwa 15 Hektar gehörte auch zu den 100 Hektar!). OB Kuhn macht sich für die altbekannte „Jahrhundertchance für die Stadtentwicklung“ stark, die längst als Schönrednerei entlarvt ist, siehe „21 gute Gründe für Stuttgart 21“, Grund Nr.13. Und: ist Stuttgart 21 nicht vor allem ein Bahnprojekt von „überragender Verkehrsbedeutung …mit überwiegend öffentlichem Belang“? Stattdessen wird von OB Kuhn nur auf die Stadtentwicklung gezielt. Und wieder wird der gänzlich illusorische „Abschluss 2021“ genannt.


Kuhniana (3) 16 01. 17 12:09 StN vom 09. Januar 2017: „Für Projekte auf dem freiwerdenden Gleisvorfeld gebe es viele Ideen. So habe er den Neubau des Linden-Museums vorgeschlagen; auch ein Konzerthaus sei denkbar. Stuttgart brauche aber vor allem Flächen für sozialen Wohnungsbau.“
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Planungen für das ehemalige Gleisvorfeld braucht es noch nicht, der Bär ist noch lange nicht erlegt. Vor 2025 ist der Bahnhof kaum - wenn überhaupt irgendwann - fertig, dann kommt das Probejahr für die neue Verkehrsstruktur, dann muss das Gleisfeld rückgebaut werden. Die Bedeutung der Flächen zeigt sich beim Blick auf das "nachhaltige Bauflächenmanagement der Stadt Stuttgart" (NBS - Lagebericht 2008). Dort werden auch ohne S21 mehr als 200 Hektar Brachflächen für den Wohnungsbau ausgewiesen (ein aktualisierter Stand ist beim Hochbauamt von mir erbeten worden). „Sozialer Wohnungsbau“ hört sich natürlich gut an, aber taugen die teuren Bauplätze dazu? S21 ein soziales Mäntelchen umhängen? Im Europaviertel gibt’s wenigstens nur Wohnungen für Reiche und Superreiche... (zum Blog aktuell).


Kuhniana (4) 18 01. 17 00:23
StN vom 09. Januar 2017: „Er sei kein Wendehals, wie ihn Kritiker nach seinem Auftritt bei der Durchschlagsfeier für den ersten Stuttgart-21-Tunnel nennen, sondern drücke im Interesse der Bürger aufs Tempo. Er werde das bis zu 6,5 Milliarden Euro teure Projekt weiter kritisch begleiten, sagte Kuhn.“
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Man muss OB Kuhn sehr zugute halten, dass er 2013 vor dem Weiterbau-Beschluss aktiv geworden ist: Der Aufsichtsrat stimmte für den Weiterbau wegen eines vermeintlichen Kostenvorteils von 77 Mio. Euro. „Dies geschah trotz eines kritischen „Dossiers“ aus dem Kreis der Staatssekretäre im Aufsichtsrat der DB AG sowie entgegen der Aufklärung durch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn über mindestens 210 Mio. Euro günstigere Ausstiegskosten.“ Dies wurde dann vom Aufsichtsrat nicht berücksichtigt und die Bilanz zum Weiterbau grob gefälscht. Sind die von Kuhn genannten Zahlen 85 Hektar Bauland (siehe Kuhniana (3), 6,5 Mrd Projektkosten und Fertigstellungstermin 2021 nicht alle nachweislich falsch oder zumindest fragwürdig und geschönt? Ist das „kritisches Begleiten“? Leider besteht der Eindruck, dass Kuhn im Rathaus eher wie ein Wendehals agiert.


Kuhniana (5) 19 01. 17 11:38 StN vom 09. Januar 2017: „Es sei ein Skandal, dass der Bund nicht interveniere und Geschwindigkeit anmahne. Immerhin sei das Eisenbahnbundesamt als Genehmigungsbehörde für das Projekt dem Bund unterstellt, der immer wieder die nationale und europäische Bedeutung des Projektes hervorhebe. „Auch die Klage gegen die Projektpartner entbindet die Bahn nicht davon, dass Vorhaben fristgerecht zu realisieren“, sagte Kuhn mit Blick auf die Forderung der Bauherrin Bahn, dass die Projektpartner sich an möglichen Mehrkosten von zwei Milliarden Euro beteiligen sollen. Die Stadt trägt knapp 300 Millionen zum Projekt bei und lehnt ein weiteres finanzielles Engagement ab.“
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Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. So auch Stuttgart 21, da helfen keine Mahnungen. Momentan stockt es mal wieder auf den Fildern und bei der U-Bahn Haltestelle Staatsgalerie. Dazu hört man von Kuhn nichts, immerhin Aufsichtsratsvorsitzender der Straßenbahn. Wo war sein Aufschrei, als aus 14 Tagen wie geplant dann Jahre wurden? „Fristgerecht realisieren“ spricht aller Erfahrung mit dem Bauverlauf von S21 Hohn. Kuhn spricht von 300 Mio als Beitrag für die Stadt. Wie war es unter seinem Vorgänger? OB Schuster im Amtsblatt, Rede vom 2.4. im Rathaus nach der Finanzierungsvereinbarung: „Die Landeshauptstadt beteiligt sich mit 31,6 Millionen Euro direkt an den Baukosten von Stuttgart 21. Zudem zahlt die Landeshauptstadt für mögliche Baukostensteigerungen maximal 131 Millionen Euro.“ Tatsächlich wurden die Kosten in dieser Zeit vom BUND realistischer addiert: "Wenn man die direkten und indirekten Kosten zusammenzählt, ist die Stadt mit weit über einer Milliarde Euro an Stuttgart 21 beteiligt." Was sagen Sie dazu, Herr OB Kuhn? Wie wäre „kritisches Begleiten“? Auch zur angeblichen „nationalen und europäischen Bedeutung“...


Kuhniana (6)
21 01. 17 14:48
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Stuttgarter Nachrichten: Die Bahn habe sich im Finanzierungsvertrag verpflichtet, den Tiefbahnhof samt Anbindung zur Neubaustrecke nach Ulm 2021 fertigzustellen, erläuterte Kuhn. Es mache einen signifikanten Unterschied für die Lebensqualität der feinstaubgeplagten Stuttgarter, ob das Vorhaben in vier oder in zehn Jahren fertig werde. „Als Oberbürgermeister, der durch Amtseid für das Wohl der Stadt verantwortlich ist, muss ich mich auch um den Zeitplan kümmern.“ Zuletzt waren auch im Konzern selbst Zweifel aufgekommen, ob das Projekt wirklich zeitgerecht beendet werden kann.
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War im Finanzierungsvertrag tatsächlich als Termin 2021 genannt? Der damalige OB Schuster am 10.7.09 in der Stuttgarter Zeitung „…Fertigstellung von Stuttgart21 in rund zehn Jahren…“ also 2019.
Bahnsprecher W. Drexler zur Fertigstellung von Stuttgart 21 im Jahr 2019/2020 in „Eisenbahnromantik“ vom 8. August 2010 im SWR-Fernsehen:
„… ja das wird eingehalten, die Bahn sagt, sie wird es einhalten… gehe ich davon aus, dass der Zeitplan der Bahn auch eingehalten wird.“
Wenn selbst im DB-Konzern Zweifel am Zeitplan bestehen, erhärtet durch das“streng geheime“ Gutachten für den Aufsichtsrat, so ist die Verpflichtung im Finanzierungsvertrag schon heute Makulatur.


Kuhniana (7)
22 01. 17 11:39
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Stuttgarter Nachrichten: „Kuhn verlangt von der Bahn Aufklärung über die Zuständigkeit für das Projekt im Konzernvorstand. „Ich wüsste gerne, wer nach dem Ausscheiden von Volker Kefer aus dem Gremium für das Vorhaben verantwortlich zeichnet.“ Neu im Bahnvorstand ist der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla; ob er aber von Kefer die Betreuung des Vorhabens übernehmen wird, ist unklar.“
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So werden die zahlenden „Projektpartner“ von der Bahn mit wesentlichen Informationen bedient. Auch das brisante Gutachten für den Aufsichtsrat wurde ihnen (Stadt und Verkehrsministerium BW) nicht zugeleitet, es wurde vermutlich von einem mutigen Insider der Presse (SWR) zugespielt. Wer ist nun zuständig? Bis heute hat man darüber nichts erfahren, oder?


Kuhniana (8)
23 01. 17 12:24

Stuttgarter Nachrichten: Der Nachfolger Kefers müsste spätestens zur Sondersitzung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21 feststehen, der auf Wunsch von Land und Stadt im Februar außerplanmäßig zusammenkommt. Dort will Kuhn sich über die Schwierigkeiten des Tunnelbaus im Anhydrit informieren, die in einem vom Bahn-Aufsichtsrat in Auftrag gegebenen Gutachten genannt sind. Es sei ein „Hammer“, dass weder Land noch Stadt als Betroffene die Expertise vom Aufsichtsrat selbst, sondern nur auf sonstigen Wegen bekommen haben. Die dort erwähnten möglichen Langfrist-Schäden interessierten ihn besonders. „Hebungen infolge aufgequollenen Anhydrits könnten verheerende Folgen für den Schienenverkehr haben.“
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Herr Kuhn, Sie könnten sich schon vorab persönlich bei bahn-unabhängigen geologischen Experten informieren, bei Dr. Sierig aus Tübingen, Dipl.-Geologe Dr. Laternser, Dr. Behmel ehem. Uni Stuttgart u.a. Auch im Internet werden Sie vielfach fündig.
Was im Gutachten für den Bahn-Aufsichtsrat inhaltlich steht, ist auch ein „Hammer“. SIE sind ein wichtiger Entscheidungsträger und können Ihre Persönlichkeit einbringen, indem Sie NEIN zum Fertigbau von Stuttgart 21 sagen wegen der hohen Risiken für den Bahnverkehr in Stuttgart und damit zum „Wohl der Stadt“ handeln.


Kuhniana (9)
24 01. 17 11:44
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Stuttgarter Nachrichten: „Ein Umschwenken auf eine Alternative ist aus Sicht Kuhns völlig unrealistisch. „Das Projekt ist entschieden, vertraglich besiegelt und durch einen Volksentscheid bestätigt.“ Er fügte hinzu: „Stellen Sie sich vor, wir würden es stoppen - Deutschland würde sich schief lachen - erst bauen sie Riesenlöcher, dann machen sie sie wieder zu.“ Ein Zurück wäre Wahnsinn. Kuhn: „Uns blieben ein zerstörter Bahnhof, immense zusätzliche Kosten, keine verkehrlichen Verbesserungen und keine Möglichkeit zur innerstädtischen Entwicklung.“
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„Stuttgart 21 ist ein Fehler, aber den müssen wir jetzt machen.“ So oder ähnlich OB Palmer. Warum eigentlich? Kuhns Gründe sind sehr fragwürdig:

  • „ist entschieden“: ja, aber mit nachweisbar gezinkten Karten zu Kosten, Leistung und Durchführbarkeit. Wieso kann eine falsche Entscheidung nicht korrigiert werden?

  • „vertraglich besiegelt“: ja, aber auch diese Verträge sind kündbar

  • „Volksentscheid“: er war nach Auskunft der Wahlleiterin ohne gültiges Ergebnis und mit Lügen gepflastert (Ausstiegskosten)


Der mögliche Spott wäre berechtigt, aber er trifft nicht das Land und die Stadt, sondern die Hybris der Befürworter. Mit dem Ausstiegsgrund Gipskeuper wäre eine gewisse Gesichtswahrung möglich, weil der Weiterbau unverantwortbarer „Wahnsinn“ ist.

Kuhns Schlussfolgerung ist völlig falsch:
  • der Bahnhof kann renoviert werden; es bliebe der leistungsfähige und kundenfreundliche Kopfbahnhof, die Löcher kann man umnutzen,

  • es wäre eine milliardenschwere Kostenersparung, vor allem für die Stadt!

  • Eine „verkehrliche Verbesserung“ würde sehr schnell eintreten bei U- und S-Bahn und durch Verbesserung der Zulaufstrecken für Nah- und Fernverkehr.



Kuhniana (10 und Ende)

Wie Kopfbahnhof-Verfechter ticken

Die oft Stuttgart 21 beschönigende und selektiv berichtende Stuttgarter Nachrichten hat wieder einen typischen Beitrag zu Rechtfertigung von Stuttgart 21 geleistet. OB Kuhns Verlautbarungen sind in der Serie „Kuhniana“ 1 bis 10 kommentiert und korrigiert aus meiner Sicht als S21-Kritiker. Mit einem Anschreiben werde ich OB Kuhn diese Kuhniana per Post und elektronisch (wegen den Links) zuleiten und ihn als Stuttgarter Bürger um ein Gespräch bitten.

Für uns Stuttgart-21-Gegner und Befürworter des Kopfbahnhofs mit dem Ziel des Aus- und Umstieg ist OB Kuhn zur großen Enttäuschung geworden.
Das hat Stadtrat Tom Adler auf der letzten Montagsdemo thematisiert unter dem Titel
„Kuhns Halb(werts)zeit“.

Ausschnitt:
Ich habe im Wahlkampf versprochen, dass ich als OB im Rahmen des Rechts (…) für Transparenz sorgen werde und auch der Bahn, wenn es notwendig ist, auf die Finger schauen werde“, sagte er bei seiner Amtseinführung wörtlich – …

Die lange Liste des Verschleppens und der Desinformation kennt ihr in und auswendig, heute haben wir Ausnahmezustand, wohin man schaut, und statt endlich mal ‚Stopp‘ zu sagen werden sämtliche Augen zugedrückt!
„…ein aktuelles Beispiel ist der jahrelange vorsätzliche Verstoß der Bahn gegen die Sonntags- und Feiertagsgesetze, um trotz der allgegenwärtigen Murksplanung schneller bauen zu können. Die Stadtverwaltung behauptet penetrant, sie könne leider nichts tun, das Eisenbahnbundesamt hat dagegen klargestellt: „Die Überwachung der Einhaltung dieser gesetzlichen Regeln liegt beim Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart."
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Wie kann man sich die offensichtliche Verhaltensänderung des OB Kuhn erklären? Aus einer E-Mail von vorgestern:

„….wie genau funktioniert diese Korrumpierung? Ich glaube nämlich, dass das nicht immer simpel via Korruption durch Geld läuft, sondern dadurch, dass man sich als in hohe Funktionen Gewählter anfängt, im Umfeld und in den Kreisen derer zu bewegen, die die wirklich Mächtigen in der Gesellschaft sind. Die Nähe zur Macht korrumpiert m.E. genauso wie Geld und beeinflusst das eigene Denken. Deshalb ist es für Gewählte, die das nicht wollen, existentiell wichtig, einen lebendige Verbindung, einen "Stoffwechsel" mit denen zu organisieren, für die und deren Belange sie einmal angetreten sind. Nur wenn man sich von solchen Korrektiven nicht abnabelt,  kann dem "Abheben" entgegengewirkt werden.“